08.10.2024
Autor: Roger Kaspar
«Digitaler Vertrieb für komplexe Produkte» oder «Schatz, ich hab grad kurz eine Solaranlage bestellt.»
Stell dir vor: Ein hochkomplexes Produkt, das früher nur durch ausführliche persönliche Beratung verkauft werden konnte, lässt sich bequem online, digital unterstützt konfigurieren und bestellen. Klingt unrealistisch? Mit den richtigen Strategien und Technologien ist das heute längst möglich. Die Digitalisierung hat die Customer Journey grundlegend verändert und eröffnet neue Wege für den Vertrieb komplexer Produkte.
Die Waschmaschine: Von der Haushaltshilfe zum digitalen Erlebnis.
Vor zehn Jahren habe ich mir eine Waschmaschine gekauft. Mit den technischen Details überfordert (eine Schleuderdrehzahl im 3 oder 4-stelligen Bereich sagte mir damals nichts) habe ich mich, wie dazumal üblich, entsprechend im Fachgeschäft beraten lassen. Nach zehn Jahren guten Diensten (wobei ich immer noch überzeugt bin, dass sie einzelne Socken frisst), hat meine Waschmaschine leider den Dienst quittiert, was mich vor die Herausforderung stellt, eine neue zu kaufen.
Die gleiche Herausforderung wie vor 10 Jahren, aber in einer veränderten Welt: Ja, ich weiss mittlerweile, warum verschiedene Schleuderdrehzahlen nötig sind, und ich werde einzelne moderne Produktfeatures, wie die Notification auf meinem Handy, auf meine Wishlist schreiben. Aber interessant ist viel eher, was für mich im Gegensatz zu vor 10 Jahren neu weit oben auf dieser Liste steht: Ich werde nur ein Produkt kaufen, dass gute Reviews hat und Erklärvideos im Netz sind definitiv ein Plus. Ich weiss jetzt schon, dass ich die Waschmaschine online bestellen werde – wenn das nicht angeboten wird, werde ich weitersuchen- und sollte der Hersteller mir hier eine digitale Beratung in Form eines Konfigurators zur Verfügung stellen, dann werde ich den mit Freuden nutzen. Ich werde prüfen, ob der Hersteller Support und Wartung online anbietet, so dass ich mir selbst (ausserhalb der Bürozeiten, denn da habe ich Zeit) helfen kann. Und sollte ich mal einen Termin brauchen, dann möchte ich den online und automatisiert buchen. Ich wünsche mir online verfügbare Gebrauchsanweisungen, wenn möglich in einem Kundenportal, und möchte spezifisches Verbrauchsmaterial (z.B. Trommelreiniger) direkt bestellen können.
Wenn man sich in einem solchen Prozess befindet, dann wird offensichtlich klar, wie wichtig heute die digitale Customer Journey geworden ist und was für ein wichtiger Teil des eigentlichen Produkts diese digitalen Dienste rundherum geworden sind.
Der letzte Baustein: Die digitale Beratung.
In der heutigen Zeit sind wir es uns gewohnt, dass sich das Marketing und der After-Sales Service sehr stark im Digitalen bewegen. Hingegen ist der Grad der Digitalisierung in der Beratung noch vergleichsweise gering. Das lässt sich dadurch begründen, dass die Beratung bei vielen Produkten und Services eine individuelle Komponente hat (Stichwort «Anprobieren» oder «Custom-Made») oder für komplexere Produkte viele Freiheitsgrade hat und daher nicht trivial digital abbildbar ist. Um es auf der Customer Journey einzuordnen: die Consideration Phase ist heute für viele Produkte und Services noch verhältnisweise analog.
Und genau in dem Bereich sind in naher Zukunft die eindrücklichsten Veränderungen zu erwarten, weil sich Technologie rapide verändert: Digitale Touchpoints ermöglichen heute hervorragende User Experience, Augmented Reality schliesst den Gap zum Physischen und konversationelle KI kann Kunden individuell Betreuen. Und das führt dazu, dass die Kundenakzeptanz für digitale (oder digital unterstützte) Beratung rapide zunimmt und konsequenterweise nicht nur akzeptiert, sondern auch verlangt wird.
Ein gutes Beispiel dafür ist der Storen Konfigurator, den wir kürzlich für Schenker Storen umsetzen durften: Die eingesetzte Technologie zur 3D-Modellierung hilft den Gap zwischen Produkt und physischer Anwendung elegant zu schliessen.
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In Zukunft werden auch komplexe B2B Produkte vermehrt digital beraten.
Das zeigt sich an verschiedenen Beispielen: So ist es heute zum Standard geworden, simple Produkte wie Esswahren und Haushaltsgegenstände online einzukaufen. Auch individuellere Produkte wie Kleider und Möbel können heute schon rein digital verkauft werden, ohne Kundinnen «analog» zu beraten. Und auch komplexere Produkte, im B2C wie auch im B2B Bereich, werden zunehmend digital beraten.
Ein gutes Beispiel dafür sind Solaranlagen: Was früher nur durch individuelle Beratung verkauft werden konnte, wir heute zu einem beträchtlichen Teil online gekauft. Intuitive, digitale Konfiguratoren, mit integrierten Datenquellen wie Standortdaten und lokalen Strompreisen, ermöglichen eine rein digitale Customer Journey von Awareness bis Purchase.
Mehr! Schneller! Effizienter!
In der Digitalisierung der Vertriebsprozesse liegt für viele Firmen ein sehr grosses, businessrelevantes Potential, dies zeigen Projekte, die wir mit B2B und B2C Kunden durchführen durften: In meinen Augen das wichtigste Potential ist die Erweiterung der Reichweite von Unternehmen. So können Märkte aber auch Produkte und Services entwickelt werden, die mit analogen Vertriebsmethoden nicht erschlossen werden könnten. Zudem kann durch Automatisierung und Digitalisierung der Beratung eine erhebliche Steigerung der Effizienz erzielt werden. So kann sich der Vertrieb auf die komplexen Deals konzentrieren und wird nicht von den simplen Anfragen absorbiert. (Im Beispiel Solaranlagen hätte der Ansturm während der Energiemangellage im Vertrieb nicht annähernd bewältigt werden können, hätte man nicht digitale Konfiguratoren erstellt.)
Die Kundenbeziehung wird digitaler.
Ein weiterer wichtiger Aspekt ist, dass neue Kundenbeziehungen meistens zum ersten Mal in der «Consideration» Phase konkret werden. Ein Unternehmen schafft mit einer digitalen Beratung somit eine Kundenbeziehung, die affin ist für digitale Kanäle. Das legt die Basis für eine effiziente, digitale Customer Journey bis hin zu Service und Retention.
Womit wir wieder bei der gesamtheitlichen Customer Journey wären und wie wichtig es ist, für ein Produkt oder Service eine vollständige Sicht darauf zu unterhalten und gezielt, mit durchdachtem UX und zielorientiertem Einsatz von Technologie, diese zu digitalisieren.
Ich werde jedenfalls jetzt meine Waschmaschine mit Hilfe von möglichst viel digitaler Beratung ersetzen. Und wenn in ein paar Jahren die Wärmepumpe im Haus ansteht, dann gebe ich gerne ein Update zum Fortschritt der digitalen Kauf-Experience bei komplexen Produkten. Ich bin überzeugt, diese werde ich von einem Anbieter online auswählen und kaufen, der die digitale Beratung bis dahin eingeführt hat.